Auslandssemester


Wie ich mir mein Stipendium an der Peking University sicherte.

Erzählung Susan

An der WU war ich eine eher durchschnittliche Studentin. Im Großen und Ganzen bin ich ganz gut durch mein Studium gekommen, im Kleinen und Halben plagten mich (wie wahrscheinlich jeden) von Zeit zu Zeit ernste Gedanken zum Studium. Einer dieser Gedanken, die mich über einen längeren Zeitraum begleiteten, war das verpflichtende Auslandssemester. 


In meinem Studienplan war nämlich vorgesehen, dass ein halbes Jahr an einer ausländischen Universität studiert werden musste, und mir war klar, dass ich dieses Semester in China absolvieren würde, denn das passte zu meiner Studienrichtung, und außerdem war es der Wunsch meiner Eltern, dass ich mein Chinesisch verbessere.


Die WU hatte Partneruniversitäten in mehreren chinesischen Städten und diese habe ich mit meiner Cousine und zwei Freundinnen im Sommer vor der Bewerbungsfrist bereist, um herauszufinden, wo ich das halbe Jahr verbringen wollte. Während der Reise stellte sich sehr schnell heraus, dass ich nach Peking musste. Musste, denn in den anderen Städten fühlte ich mich überhaupt nicht wohl und ich hatte die Vermutung, dass ich dort unglücklich werden würde. Und wer will schon unglücklich sein.


Für die Uni in Peking gab es allerdings nur einen Studienplatz und ich hatte schon gehört, dass sich nicht nur fast alle aus meinem Studiengang für dieses Stipendium bewarben, sondern auch noch vereinzelte Studierende aus dem Lehrgang davor, die bislang noch kein Auslandssemester gemacht hatten. Die Kriterien für die Vergabe das Stipendium waren einerseits der Notendurchschnitt und der Studienfortschritt, andererseits ein Motivationsschreiben und schließlich ein Bewerbungsgespräch bei einem der Professoren. Da alle Kurse in Chinesisch abgehalten wurden, wurden außerdem Muttersprachler/-innen für diese Universität bevorzugt, da von Studierenden, die die Sprache erst auf der Uni erlernten, nicht erwartet werden konnte, dass sie die Kurse positiv abschließen konnten. Für mich wurde es ein wenig eng, weil ich nicht als Muttersprachlerin zählte und ich wusste, dass sich meine Noten nur im guten Durchschnitt bewegten.


So setzte ich mich hin und begann, meine Gedankenkraft zu aktivieren. Ich stellte mir vor, wie mein Motivationsschreiben die Menschen, die über das Stipendium entschieden, überzeugte, und wie ich meinen Eltern freudig-aufgeregt erzählte, dass ich den Studienplatz an der Universität in Peking bekommen hatte. Ich sah ihre freudigen Gesichter vor mir und ich hörte es förmlich, wie meine Eltern ihren Freunden von meinem Stipendium erzählten. Ich visualisierte, wie ich am Campus der Universität in Peking spazieren ging und ich fühlte mich wirklich schon so, als würde ich dort studieren. Ich stellte mir vor, wie ich dort tolle Leute kennenlernte, neue Freundschaften schloss und wie ich nach dem Semester jedem erzählen würde, dass es das beste Semester aller Zeiten war.

Das Visualisieren wurde fester Bestandteil meiner täglichen Routine.


Ein paar Tage nachdem ich meine Bewerbungsunterlagen abgegeben hatte, wurde ich von einem Professor und einem wisseschaftlichen Mitarbeiter zum Gespräch eingeladen. Ich war überhaupt nicht aufgeregt - bis ich gefragt wurde, wieviele chinesische Zeichen ich beherrschte. Ich konnte alle Zeichen, die wir gelernt haben, aber gezählt hatte ich sie nie. Ich konnte die Frage nicht beantworten und sie baten mich, eine Schätzung abzugeben. Ich hatte wirklich keine Vorstellung, in welchem Bereich sich meine Chinesisch-Kenntnisse bewegten, und so sagte ich einfach: "2.000". Das war geraten und es sollte sich noch herausstellen, dass ich sehr schlecht geraten hatte.



Nach meinem Gespräch ging ich in das Lokal, wo unsere Gruppe immer hingegangen ist, und wir tauschten uns über unsere Gespräche aus. Dort habe ich erfahren, dass ausnahmslos jede und jeder andere angegeben hat, 5.000 Zeichen zu kennen. Angeblich wurde das einmal von einem der Professoren gesagt, aber daran konnte ich mich nicht erinnern. Ich war entsetzt und bin beunruhigt nachhause gefahren. Mich beschäftigte die Frage, ob es sein konnte, dass mir die schlechte Schätzung zum Verhängnis geworden war. Und ich musste ja nach Peking.


Ich fand den ganzen Tag keinen Frieden und so schrieb ich schließlich am späten Nachmittag eine E-Mail, in der ich meine Angabe zu den Chinesisch-Kenntnissen nach oben korrigierte. Ich erklärte, dass wir alle die gleichen Kurse besucht haben, ich daher davon ausging, dass auch ich 5.000 Zeichen kenne und nur im Schätzen nicht gut war. Es dauerte keine 2 Minunten, als ich die Antwort zurück kam: "Machen Sie sich keine Sorgen. Wir haben uns für Sie entschieden, Sie erhalten in den nächsten Tagen die offiziellen Unterlagen vom ZAS."


Ich kann mich bis heute an das überwältigende Gefühl von Freude und Dankbarkeit erinnern, das mich daraufhin erfasste und meinen Körper erfüllte und durchströmte. Der Laptop in meiner damaligen WG mit meiner Freundin stand in einem Halbstock, und ich weiß noch, dass ich an dem Tag die Stiegen runtergeflogen bin, als ich kreischend losgerast war, um sie zu suchen.


Rational kann ich nicht erklären, wie ich den Studienplatz bekommen habe, da die Wahrscheinlichkeit dafür nüchtern betrachtet nicht hoch war. Heute weiß ich, dass es Kräfte gibt, die die Wahrscheinlichkeiten aushebeln können und ich weiß, dass man selber sehr viel tun kann, um das eigene Leben so zu gestalten. In allen Büchern zum Gesetz der Anziehung steht geschrieben, dass man sich beim Visualisieren nur auf das gewünschte Endergebnis konzentrieren und es dem Universum überlassen soll, wie es daraufhin alles arrangiert. Das Universum kennt nämlich immer den besten, harmonischsten und schnellsten Weg. Und so war es auch hier.



Danke Universum.




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