Diebstahl in einer Menschenmenge


Wie mein Eigentum den Weg zu mir zurück fand

Erzählung Susan

Ich besuchte mit meinem Chef eine Messe in Düsseldorf. Da es sehr viele Hallen waren, teilten wir die Geschäftspartner/-innen unter uns auf, die wir besuchen wollten. Bei jedem Termin stellte ich meine Handtasche zwischen meinen Füßen ab. Nur bei einem Lieferanten, bei dem wir zusammen waren, stand sie auf dem Boden zwischen meinem Chef und mir. Ich dachte, da wäre sie auch sicher. Leider falsch gedacht.


Nach dem Termin fand ich meine Handtasche nicht. Meinem Chef war sofort klar, dass sie jemand gestohlen haben musste, aber das wollte ich nicht glauben. Warum sollte man auf eine Messe gehen, um andere zu bestehlen? Diesen Gedanken fand ich doch sehr abwegig. Und so ging ich ein paar Stände zurück, um mich zu erkundigen, ob ich meine Handtasche dort vergessen hätte. Leider nein. Ich war geschockt. Wie ist der Dieb überhaupt reingekommen? Man konnte die Karten nämlich nur mit Einladung bekommen. Ich war wirklich total entsetzt.


Ein paar unserer Lieferanten haben zwar noch den Veranstalter verständigt und mit mir die Umgebung inklusive der Mülleimer im Außenbereich abgesucht, aber es war vergeblich. Ich musste zur Polizei.


Der Beamte schien zunächst nicht besonders begeistert gewesen zu sein, als ich eine Diebstahlsanzeige aufgeben wollte. Er gab mir einen Zettel, den ich ihm ausgefüllt zurück gab. Er warf einen Blick drauf und sagte: "Hmmm, also.. das ist so nicht ganz richtig, aber das kriegen wir gemeinsam hin." Danach war er viel netter zu mir. Erst viel später im Hotelzimmer habe ich gesehen, dass ich im Schock alles falsch ausgefüllt hatte, meinen Namen hatte ich nicht mal reingeschrieben, die gestohlenen Sachen standen im falschen Feld und das Datum war ganz falsch (nicht mal der Monat oder das Jahr haben gestimmt).



Obwohl es mir um alles leid tat, das ich in der Tasche hatte, so traf mich der Verlust von meinem Kindle am meisten. Abgesehen davon war der gestohlene Reisepass eigentlich mein größtes Problem, da ich am nächsten Tag wieder zurück nach Wien fliegen musste. Der Polizei-Beamte meinte zwar, dass man bei einem Flug innerhalb der EU eigentlich keinen Ausweis brauchte, aber meine Eltern haben mir schon als Kind eingeschärft: "Wenn man anders aussieht als andere im Land, muss man sich immer ausweisen können. Sonst wird man verhaftet." Das mit dem Verhaften glaube ich zwar nicht mehr, aber wohl war mir dabei trotzdem nicht, ohne Ausweis zu fliegen.


Nachdem alles erledigt war, ging ich zurück zur Messe. Ein paar Stunden später hatte ich einen Anruf in Abwesenheit ohne Nummer auf meinem Handy. Das hat der Dieb nämlich nicht in seine Fänge bekommen, weil ich es an dem Tag zum Glück in meiner Hosentasche eingesteckt hatte. Der unbekannte Anrufer war der Polizei-Beamte, der mir eine Nachricht hinterlassen hatte, in der er mich gebeten hat, nochmal zu kommen, weil einige Sachen von mir in einem Müllsack beim Fluss gefunden wurden. So bekam ich meine Geldtasche, meine Bankomat- und Kreditkarte und meine Schlüssel wieder. 


Meine Stimmung wurde dadurch nicht viel besser. Ich war beleidigt und böse auf alle, und obwohl ich wusste, dass mir das nicht hilft und die Wahrscheinlichkeit bestand, dass ich es dadurch noch schlimmer machte, gelang es mir nicht, meine Emotionen in den Griff zu bekommen. Mein Chef ist am selben Tag noch zurück geflogen und so musste ich auch noch alleine ins Hotel fahren. Dort angekommen, wurde mir gesagt, dass ein Gast erkrankt sei und immer noch auf meinem Zimmer liegt (wer's glaubt..). Und so wurde ich in einem ähnlichen Hotel um die Ecke untergebracht, und als ich dort im Zimmer war, stellte ich fest, dass das große Licht nicht ging. Beschwert habe ich mich nach so einem Tag nicht mehr - dem Gesetz der Anziehung zufolge wäre das nächste Zimmer wahrscheinlich sowieso schlechter geworden. Ich wollte mich nur noch hinlegen und telefonieren - und dafür brauchte man ja nicht unbedingt das große Licht, dachte ich.



Und dann traf ich ganz bewusst die Entscheidung, eine positive Kehrtwendung zu machen. Anstatt einen nach dem anderen anzurufen und ihnen vorzuheulen, was mir Unrechtes widerfahren war und meine negativen Gefühle über alle drüber zu leeren, holte ich mein Notizbuch aus der Messetasche und begann zu schreiben.


Ich begann mit allem, wofür ich dankbar war. Das war ein Kraftakt und es dauerte eine Weile bzw. etliche Wiederholungen, bis ich fühlte, dass sich mein Gefühlszustand änderte. Als ich merkte, dass ich wirklich Dankbarkeit darüber fühlte, dass ich wenigstens einen Teil meiner Sachen zurück bekommen hatte und dass der Beamte danach so nett war, begann ich damit, mir den nächsten Tag auszumalen.


Ich schrieb eine Art Nacherzählung über den nächsten Tag - so als wäre alles schon passiert: wie ich frühstückte und zur Messe fuhr. Wie ich tolle Lieferanten-Gespräche führte und diese gut liefen. Und schließlich wie ich aufs Handy schaute und einen verpassten Anruf in Abwesenheit von unbekannt (= Polizei) am Handy hatte, die meine restlichen Sachen gefunden hatten. Ich stellte mir vor, wie ich mich überschwenglich bei meinem neuen Freund, dem Polizisten, bedankte und erleichtert am Flughafen Wien ankam.



Am nächsten Morgen lag für mich am Frühstückstisch eine Tafel Schokolade bereit, weil ich umgebucht worden war. Das ist ja mal ein guter Start, dachte ich. Bevor ich in die Messehalle ging, schaute ich bei der Polizeistation vorbei und brachte einen Donut für den Polizisten mit. Wir unterhielten uns und ich fragte, ob er mich gleich und sofort anrufen würde, wenn mein Reiesepass gefunden wird. Er versprach es mir, meinte aber auch, dass er selbst skeptisch sei. "Wenn der Dieb Ihnen den Reisepass zurück geben hätte wollen, hätte er es gestern schon getan. Und wenn er ihn weggeschmissen hat und der Pass eine Nacht draußen gelegen ist, ist er so durchnässt und weich, dass Sie ihn ohnehin nicht mehr verwenden können." Es war nämlich Jänner.


Ich versuchte, mich nicht davon beirren zu lassen, sondern sagte beim Rausgehen nur, dass er schon noch sehen wird und bat ihn, außerdem Ausschau nach meinem Kindle zu halten.


Auf der Messe liefen alle Gespräche wirklich sehr gut, sogar besser als ich es mir vorgestellt hatte. Zwei Lieferanten haben mich am Ende des Gespräches sogar gefragt, ob es unpassend wäre, wenn sie mich umarmen. Das ist mir in dem Job noch nie passiert. Stunden später holte ich in der Mittagspause mein Handy raus und hatte wirklich drei Anrufe in Abwesenheit von unbekannt auf meinem Handy. Daraufhin stellte ich mich in ein Eck und beschwörte das Handy, es möge nochmal läuten. Ich  wartete und ein paar Minuten später klingelte es wieder. Unbekannt. Ich hob ab und mein neuer Freund fragte hastig: "Sind Sie noch in Düsseldorf?" Ich bejahte. "Oh toll, ich habe soeben die Flüge nach Wien geprüft und hatte die Befüchtung, dass sie im Flieger um 12:55 Uhr sitzen." Ich erklärte ihm, dass ich noch bis zum Abend Termine hätte. "Na dann machen Sie mal Ihr Business und bevor Sie nachhause fliegen, kommen Sie nochmal zu mir. Dann habe ich noch einen Reisepass und einen Kindle für Sie."


Später hat er mir erzählt, dass der Reisepass schon am frühen Vormittag abgegeben wurde. Das war der erste Anruf von ihm. Beim zweiten Mal wollte er mir erzählen, dass mein Kindle in einer Bibliothek am anderen Ende der Stadt abgegeben wurde und eine Streife dorthin unterwegs ist, um ihn zu holen. Und beim dritten Mal wollte er mir sagen, dass mein Kindle bei ihm eingetroffen ist,. Weil er mich den ganzen Vormittag nicht erreicht hatte, hatte er schon die Befüchtung, dass ich zu Mittag nachhause geflogen war. "Wär auch kein Drama, dann hätten wir Ihnen die Sachen per Post geschickt, aber Sie hatten ja Angst, verhaftet zu werden, wenn Sie ohne Reisepass nach Wien fliegen." 


So schlimm das Erlebnis begonnen hatte, umso besser ist es schließlich ausgegangen. Meine Versicherung hat mir alles bis auf das Bargeld ersetzt, mit diesen zwei Lieferanten hat sich eine Freunschaft entwickelt (was mir beruflich sehr oft hilft) und mir wurde einmal öfter gezeigt, was alles möglich ist, wenn man sich unbeirrbar auf etwas konzentriert bzw. wieviel man im Leben selber in der Hand hat. 



Danke Universum.




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